81

rotetasche

Donnerstag, 10. September 2020, Wentorf

Filmdreh mit Johanna Sebauer und meiner schönen roten Tasche für ein Projekt von Katharina Duve mit Kameramann Josef im Garten des Woods Art Institute. Im Wald hatten wir vorher zufällig Rik Reinking getroffen, der ebenfalls von Katharina – schwuppdiwupp – umhüllt und fotografiert wurde. Abends nach dem Drehtag habe ich Lust auf ein Bier, laufe nach Reinbek und gehe ins Lütt Hus. Darin eine junge Barfrau und vier ältere männliche Knobelspieler. Erster Song: »Sun of Jamaica« der Goombay Dance Band. Die vier Männer knobeln still vor sich hin, in der Sofaecke links vom Tresen sitzt eine ältere rauchende Dame. Ich postiere mich an der offenen Tür am Tresen und bestelle ein Pils. Die Dame spricht mich an, ich solle ihr Alter raten. Keine Ahnung. 81. Vier Monate habe sie nicht geraucht und ihr Schätzchen sei sehr stolz auf sie. Es ist einer der Knobelspieler, sie sei eine Kölsche. Ihr Vater sei der erste gewesen, der in Köln Bohnenkaffee ausgeschenkt habe. Er habe ein Café mit vielen Angestellten gehabt und sei ein gemachter Mann gewesen. In Soest sei eine Straße nach ihrem Bruder benannt worden, Wilhelm Trockel in Soest. Ich solle es im Internet nachschauen. Ich schaue nach. In Soest gibt es keine Wilhelm-Trockel-Straße, aber immerhin einen Wilhelm-Trockel-Weg. 1981 habe sie in der zweitgrößten Rollerbahn der Welt gearbeitet, im Indianapolis in Lohbrügge. Sie fragt, was mein Beruf sei. Schriftsteller, antworte ich. Sie sagt, dass sie auch Schriftstellerin gewesen sei, in Köln habe sie für den Feuerreiter geschrieben. Jetzt schreibe sie nicht mehr, schließlich sei sie 81. Nachdem ich das Bier ausgetrunken habe, zahle ich, gehe zum Bahnhof und esse einen Dürum Döner.

Trickserei 

handke.leer

Früher dachte ich, man dürfe den Platz auf den Seiten eines Buches nicht verschwenden. Dass es unlauter sei, die Seiten eines Prosawerks größtenteils leer zu lassen. Dass das Trickserei sei, und die Autoren einfach zu faul seien, die Seiten zu füllen. Heute ahne ich, dass das nicht stimmt. Sicherlich gibt es sie noch, die Leser*innen, die hauptsächlich viel lesen wollen und denen die Lesezeit eines Buches gar nicht lang genug sein kann. Doch viele Leser*innen wollen in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Seiten lesen und rasch umblättern, um dann das nächste Buch zu lesen oder etwas anderes zu tun. Nicht nur die Autor*innen sind faul, die Leser*innen sind es auch.

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