Road to Twin Peaks 3

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Donnerstag, 17. Mai, Hope/Sooke

Schon um sechs Uhr wach geworden. Kaffee und duschen, obwohl es erst ab acht Uhr Frühstück gibt. Um halb neun verlassen wir das Motel, um zehn Uhr zwanzig kommen wir an der Fähre nach Vancouver Island an. Die Fähre um elf Uhr ist schon ausgebucht, wir bekommen aber einen Platz auf der Fähre um zwölf Uhr. Nach neunzigminütiger Fahrt Ankunft auf Vancouver Island. Abstecher nach Sidney und schlendern durch das gemütliche Rentnerparadies. Der kleine Ort hat mehrere sehr gut sortierte Buchhandlungen und Alexandra und ich werden beide fündig. Danach mit dem Auto nach Sooke in unser Bed & Breakfast. Die eigentlich nur halbstündige Fahrt dauert wegen mehrerer Staus fast dreimal so lang. Im Bed & Breakfast wird uns zuerst nicht geöffnet, danach bekommen wir ungefragt umständliche und ellenlange Erklärungen der tüdeligen Gastgeberin. Wie eine Kaffeemaschine funktioniert, was ein Kreisverkehr ist oder Subway. Dort könne man sich nach Wunsch Sandwiches belegen lassen … Einen Fuß oder einen halben Fuß lang … Ideal fürs Picknick. Gefühlt dauert es mehrere Stunden, bis uns Chris endlich alleine lässt. Auspacken und Kaffee kochen. Der Kaffee läuft über, weil die Glaskanne nicht zur Maschine passt. Das hat unsere Gastgeberin leider nicht erzählt.

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Freitag, 18. Mai, Sooke

Tag zwanzig. Schon um sechs Uhr morgens wachgeworden, weil im Nebenraum alle paar Minuten ein lautes Signal ertönt, wahrscheinlich die Computermeldungen eingehender E-Mails. Um halb neun verlassen wir das Haus, da es erst um neun Uhr Frühstück geben soll: Mushroom-Omeletts. Frühstück bei Tim Hortons, danach mit dem Auto nach Victoria. Wir lösen ein dreistündiges Parkticket und stromern durch die Stadt. Als erstes zum Wasserflugzeughafen von Harbor Air, danach Schlendern durch die Stadt. Am Parolyplamentsgebäude übt ein Jugendorchester auf den Stufen des Parlaments, anschließend gehen wir zum laut Lonely Planet angeblich besten Buchladen der Stadt. Ich frage nach »Trip« von Tao Lin, die Verkäuferin erklärt mir nach einem Blick in den Computer, dass sie das Buch nur als Special Order bestellen könne, die Lieferung des zweiundzwanzig Dollar teuren Buches drei Wochen dauern und der Aufpreis zwanzig Dollar betragen würde. Unglaublich! Im Buchladen Tanner’s Books gestern in Sidney hätte man mir das Buch kostenlos bestellt und die Lieferung hätte nur eine Woche gedauert. Wir schauen uns den Comicshop, ein Pfandhaus und einen kuriosen Spielzeugfigurenladen an und essen gut und günstig in Chinatown. Danach Fahrt zurück nach Sooke. Unterwegs essen wir ein Eis und entdecken in den Vorgärten mehrere grasende junge Rehe, die gemütlich an uns vorbeischlendern. Um kurz nach drei wieder im Zimmer. Lesen und Mittagsschlaf. Ab kurz nach fünf Eishockey-Playoffs. Die Winnipeg Jets verlieren das dritte Spiel nacheinander gegen die Knights aus Vegas. Anschließend mit Alexandra schöne Wanderung zum nächstgelegenen Restaurant Stickleback, das gerade schließt und schon ab zwanzig Uhr keine warme Küche mehr anbietet. Wir laufen weiter bis zur Shell-Tankstelle, kaufen Sandwiches und verzehren sie am vorgelagerten Picknickplatz.

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Samstag, 19. Mai, Sooke

Um kurz vor acht wachgeworden. Kaffee, lesen, Blogarbeiten und um neun Uhr am Frühstückstisch. Nettes Gespräch mit einem schottischen Pärchen, anschließend längere Wanderung durch den East Sooke Regional Park. Wir laufen zu der Bucht mit den in prähistorischer Zeit in Stein geritzten Bildern und ich filme die bizarre Mikrowelt zwischen den Felsen. Mittagessen bei A&W, Milchkauf und um fünfzehn Uhr wieder in der Unterkunft. Candy Crush und Schlaf, danach Kaffee und Eishockey. In der Guardian-App lesen wir, dass in North Bend in Washington State ein Puma zwei Fahrradfahrer angegriffen und einen der beiden getötet hat. Der Puma ist noch auf der Flucht. North Bend besuchen wir in zwei Tagen. Um halb sieben wandern wir wieder zum Stickleback Restaurant, im Vorraum warten bereits zahlreiche potentielle Gäste. Eine der drei Bedienungen ist krank geworden, weshalb die Terrasse an der Waterfront geschlossen wurde und nur die Tische im Inneren des Restaurants bedient werden. Wir müssten bis Viertel vor acht warten und wären die letzten Gäste, die heute bedient werden. Wir ahnen schon, wie schleppend das vor sich gehen würde und beschließen, in die Unterkunft zurückzukehren und dort entweder ein indisches Mikrowellengericht oder die angepriesenen Lachsbagel von Chris zu essen. Um kurz vor acht wieder bei Chris. Die angekündigten Bagels sind noch nicht da, sollen aber in Kürze gebracht werden. Wir warten, packen und schreiben Tagebuch. Um kurz vor neun, nach mehrmaligem Drängen, bekommen wir endlich unsere Bagels.

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Sonntag, 20. Mai, Sooke/Seattle (Washington State)

Um kurz vor halb sieben wachgeworden. Kaffee und packen, dabei fällt mir auf, dass ich nur noch eine Tablette meines täglich zu nehmenden Medikaments im Gepäck habe. Um Viertel vor acht mit dem Auto nach Victoria, wo wir die reservierte Fähre nach Port Angeles nehmen wollen. Da wir in die USA reisen, müssen wir schon neunzig Minuten vor der Abfahrt dort sein. Unser Auto ist das mit Abstand dreckigste, und wir hoffen, nicht an der Grenze herausgewinkt zu werden, da man in die USA keine Erde einführen darf. Um halb elf legt die Fähre pünktlich mit uns ab. Nach der Überfahrt Burger King und danach zur ersten Twin-Peaks-Location: die Kiana Lodge in Poulsbo. Wir haben Riesenglück und betreten das nur für Privatveranstaltungen zugängliche Gelände, zum Glück findet im Moment keine Veranstaltung statt. Die Tische sind aber teilweise schon eingedeckt, die Sonne scheint, obwohl es kurz zuvor noch geregnet hat. Wir laufen über das vereinsamte Gelände vorbei an den imposanten Gebäuden, gehen zum Strand und machen Fotos von Laura’s Log – der Stelle, an der Pete Martell in der Pilotfolge die tote Laura Palmer entdeckt, eingewickelt in Plastik.

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Weiterfahrt und um sechzehn Uhr auf der Fähre nach Seattle. Die Skyline der Stadt ist beeindruckend. Das Wasser, das Meer, der Pazifik, dazu die Wolkenkratzer mit dem Riesenrad. Besonders beeindruckend sind die doppelstöckigen Autobahnen, die mich an Blade Runner erinnern. Die Stadt ist enorm hügelig, wie wir beim Verlassen der Fähre feststellen, wir kommen uns vor wie in San Francisco, zum Glück hat unser Wagen Automatik. Nach kurzer Fahrt um siebzehn Uhr im Hotel Georgetown Inn. Das Hotel ist praktisch eingerichtet und super gelegen – bereits im Fahrstuhl entdecke ich die Wegbeschreibung zum Fantagraphics Bookstore. Es gibt Frühstück und rund um die Uhr Kaffee. Als Hotelgast kann man auch die Waschmaschine benutzen, ohne Gebühr, und bekommt am Front Desk sogar das Waschmittel kostenlos zur Verfügung gestellt. Umsonst gibt es an der Rezeption auch gefiltertes Wasser, weil das Hotel keine Plastikflaschen aushändigen will. Im Hotel sind zudem keine Tiere erlaubt und das Wifi-Passwort lautet artattack. Auspacken, Tagebuch und frisch machen, danach laufen wir ins Ausgehviertel von Georgetown. Wir haben Glück und sehen die Reste einer Fünfziger-Jahre-Show mit stylischen Oldtimern. Leckeres mexikanisches Essen, hinterher flippern und Bier bei Flip Flip, Ding Ding, einer zweistöckigen, bis unters Dach mit Flippern vollgestellten Szene-Kneipe. Ein toller Abend und ein toller Tag – glücklich wanken wir zurück ins Georgetown Inn.

Montag, 21. Mai, Seattle/Olympia

Um kurz vor sieben wachgeworden. In der Lobby hole ich Kaffee. Lesen, duschen, rasieren und Frühstück. Danach kurzer Schlaf. Moritz schickt mir das PDF der neuen Metamorphosen-Ausgabe mit meinem Journaltext. Ich blättere durch das PDF und lese die Beiträge von René, David und Deniz. Anschließend spazieren Alexandra und ich zum Oxbow Park mit der Hat’n’Boots-Installation, einem über dreizehn Meter breiten Cowboyhut und einem fast sieben Meter hohen Paar Cowboystiefel. Seit den fünfziger Jahren waren sie Teil und Attraktion einer Tankstelle, die aufgrund der Sehenswürdigkeiten eine zeitlang sogar die erfolgreichste Tankstelle des gesamten Staates war. Nach der Schließung der Tankstelle im Jahre 1988 fielen der Hut und die Stiefel der Zerstörung anheim. Durch dauerhaftes Befahren durch Skater brach die Hutkrempe ab, Anwohner von Georgetown retteten und renovierten schließlich die Installation und bauten sie im Oxbow Park auf.

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Pünktlich zur Ladenöffnung um halb zwölf stehe ich bei Fantagraphics auf der Matte. Der Laden ist recht klein, bietet aber eine sehr gute Auswahl an Comics. Ich kaufe einen signierten Love & Rockets-Druck und mehrere Fanzines von Simon Hanselmann für insgesamt etwa fünfzig Euro. Anschließend fahren wir weiter. In Washington State ist Cannabis legal und wir entdecken unterwegs mehrere Shops mitten auf dem Land. Um kurz nach zwei kommen wir im Hotel Governor in Olympia an. Auspacken, dann fahren wir zu einer Apotheke in einem Supermarkt und ich erkläre der Apothekerin, dass ich meine letzten Tabletten aufgebracht hätte und neue brauche. Sie sagt, dass sie mir das Medikament nur gegen ein Rezept geben kann und rät mir, ein nahe gelegenes Urgent-Care-Zentrum aufzusuchen und erklärt mir den Weg. Wir fahren dorthin und nach der Aufnahme meiner Daten und einer kurzen Arztvisite erhalte ich ein Rezept, fahre zurück zur Apotheke und bekomme die Tabletten ausgehändigt. Um Viertel nach fünf wieder im Zimmer. Abends Spaziergang zum Boardwalk und zur Marina. Sehr gutes Essen in einem Restaurant mit Außenterrasse und Blick auf den Hafen und die Schiffe. Auf dem Rückweg in unser Hotel kommen wir an einem Straßenübergang vorbei, den Fußgänger mit roten Flaggen passieren sollen, die an beiden Seiten der Straße angebracht sind. Um die Straße zu überqueren, soll der Fußgänger eine Fahne aus der Halterung nehmen, diese schwenken, Sichtkontakt mit den Autofahrern aufnehmen, die Straße zügig überqueren und die Fahnen auf der anderen Seite wieder in den Fahnenhalter stecken. THESE FLAGS ARE HELPFUL TOOLS, BUT REMEMBER TO USE NORMAL CAUTION AND GOOD JUDGEMENT WHEN CROSSING THE STREET WITH OR WITHOUT A FLAG. Die Vorstellung, dass einst Kurt Cobain, als er in Olympia lebte, diese Straße mit einer roten Fahne in der Hand passiert hat, lässt mich schmunzeln.

Dienstag, 22. Mai, Olympia/Fall City

Bis acht Uhr geschlafen. Frühstück im Hotel und schlendern durch die Stadt. Besuch des sehr guten Buchladens Browser und des Comicshops Danger Room, hinter dessen Tresen eine dem Ladenbetreiber gewidmete Zeichnung vom Simpsons-Erfinder Matt Groening hängt. Danach suchen wir ein Geschäft für Künstlerbedarf auf, wo ich eine Verpackung für meinen Love & Rockets-Druck kaufe. Um zwanzig nach zwölf verlassen wir Olympia und fahren direkt nach North Bend zu Twede’s Café, der Kulisse für das Double R Diner. Für die dritte Staffel von Twin Peaks wurde das Café neu eingerichtet, so dass wir jetzt tatsächlich in der Originalkulisse sitzen.

Auch andere Twin-Peaks-Fans sind im Diner. Wir sind hungrig und bestellen zunächst einen Cheeseburger, hinterher trinken wir standesgemäß Kaffee und teilen uns einen Cherry Pie. Anschließend suchen wir mit dem Auto den Spot mit dem Twin-Peaks-Ortsschild. Unsere Beschreibung ist vage, dennoch können wir den Ort nach einigen Mühen ausfindig machen.

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Um kurz nach fünf kommen wir an unserer Unterkunft an, dem Roadhouse Inn, die Twin-Peaks-Außenkulisse für das Roadhouse und die Bang Bang Bar. Auspacken, ausruhen und Candy Crush. Eine Partie Billard im Hotel und um halb sieben Erkundung der Gegend. Spaziergang zum Park, dabei entdecken wir mehrere Kreidetafelaufsteller, die für Wapiti-Fleisch und Spargel aus Yakima werben, der Geburtsstadt von Kyle MacLachlan, dem Darsteller von Dale Cooper. Spaziergang zum Park, danach Abendessen im Roadhouse, sehr gute Mac and Cheese. Im leerstehenden Saal im ersten Geschoss Billard und FIFA 2015 bis zum Rausschmiss. Fotos vor dem Haus und Eis und Kakao an der Tankstelle nebenan. Nachricht: Philip Roth ist tot.


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