»Am liebsten würde ich ja, wenn ich nicht schreiben müsste, dauernd herumfahren und überhaupt nichts tun. Das wäre meine einzige Vorliebe. Mich gehenlassen, dazu aber ist die Welt nicht gut genug.« (Thomas Bernhard, Brief an Siegfried Unseld)
Kategorie-Archive: Öffentlicher Dienst
»›Von 9 bis 11 pflege ich zu dichten.‹ So eröffnet Hauptmann im April 1938 ein Gespräch mit einer potentiellen Sekretärin. […] Eine weitere Arbeitseinheit, bei der eher redaktionelle Aufgaben und die Korrespondenz erledigt wurden, fand regelmäßig am späten Nachmittag zwischen Teestunde und Abendessen statt.« (Peter Sprengel, Der Dichter stand auf hoher Küste)
»Die DDR war der ›Planet zweiter Klasse‹, den ich aus einer Donald-Duck-Geschichte kannte.« (Diedrich Diederichsen, Sexbeat)
Würde ich den Frauen und Männern hinterher schauen
Könnte ich singen und tanzen
Würde ich nachts noch ein Eis in der Fußgängerzone essen
Dann könnte man mich im IZBA Café treffen
Oder am Donaustrand
Im Bunker Hill bei Drum ’n’ Bass
Im CK13 bei Ska und Rock ’n’ Roll
Dann würde ich das Meer vermissen
Und nicht in der Donau schwimmen
Wegen der Erinnerung
Und wegen der Strömung
Dann sähe ich die Welt vor die Hunde gehen
Und würde zu viel Sport schauen
Die Hooligans verfluchen
Janković und Đoković und allen Serben die Daumen drücken
Dann würde ich Turbo Folk nicht mögen
Und die Einkaufszentren meiden
Über Land und Leute schimpfen
Häufig ins Theater gehen
Dann hätte ich alles von Tišma und Kiš gelesen
Und vieles von Bukowski
Dann würde ich zu viel rauchen
Zu viel trinken
Handke nicht verstehen
Dann wäre ich dankbar für die Art Klinika
Hätte kein Exit-Festival verpasst
Würde oft in Belgrad sein
Und viele Sprachen sprechen
Dann hätte ich an der Universität Probleme
Und Angst vor Krankenhäusern
Dann wäre ich gern Comiczeichner geworden
Wie so viele meiner Freunde
Die Andreja, Djula, Dušan, Endre, Jelena, Marija und Nemanja heißen
Ozren und Tatjana
Dann hätte ich gern ein Atelier in Petrovaradin
Und in der Šok Galerie gelesen
Dann würde ich immer die gleichen Gesichter sehen
Dann wäre mir manchmal langweilig
Und Novi Sadi zu klein
Dann würde ich einen Roman schreiben
Über die Gegenwart
Das Hier und Jetzt
Nach den Kriegen
Nach den Krisen
Dann würde ich der Welt misstrauen
Und an die Kunst glauben
Häufig selber kochen
Viel Gemüse
Wenig Fleisch
Dann wäre ich in der Synagoge
Beim Klavierkonzert
Im Beljanski-Museum
Gläsern in der Stadt
Und stark
Wenn ich jung wäre und aus Novi Sad käme
Dann hätte ich Freunde auf der ganzen Welt
Dann würde ich diese Zeilen nicht auf einem MacBook schreiben
Die armenische Kirche im Zentrum vermissen
Und eine Gedächtnistafel für Mileva Marić
Dann würde ich vielleicht ein zweites Mal die Walnussnudeln bestellen
Meinen Pass nie abgeben
Und gar nicht überrascht sein
Dass man in Deutschland keinen vernünftigen Reiseführer kaufen kann
Dann bräuchte ich die Stadt nicht in mein Zimmer tragen
Dann würde ich den Paraglidern über der Stadt zusehen
Uns dieselbe Musik hören wie in diesem Augenblick
Dann wüsste ich
Dass Novi Sad nicht in Sibirien liegt
Dann wäre wahrscheinlich alles anders
Jederzeit
Erstveröffentlichung – zusammen mit den Übersetzungen ins Englische und Serbische – in »Little Global Cities, Streifzüge durch Novi Sad« (Kerber Verlag 2012).
»Als ein Teilnehmer Herta Müllers Atemschaukel erwähnt, erzählt Goetz, zwar habe er das Buch nicht gelesen, aber während der Vorbereitung zu seiner Werkstatt habe er sich von Mitarbeitern des Szondi-Instituts erzählen lassen, wie es in Herta Müllers Werkstatt zuging, als sie 2005 Heiner-Müller-Gastprofessorin war. Dabei erfuhr er, dass Herta Müller das Partizip Präsens zutiefst verabscheut. ›Das fand ich einen guten Hinweis. Deswegen habe ich in meinem neuen Buch noch einige Präsenspartizipien entfernt.‹« (Jan Kedves, ›Auch aus dieser Welt einen Flash‹)
»Die böse Liebe des Volks zu dem, was man ihm antut, eilt der Klugheit der Instanzen noch voraus. Sie übertrifft den Rigorismus des Hays Office, wie es in großen Zeiten größere gegen es gerichtete Instanzen, den Terror der Tribunale, befeuert hat. Es fordert Mickey Rooney gegen die tragische Garbo und Donald Duck gegen Betty Boop.« (Theodor W. Adorno, Max Horkheimer, Dialektik der Aufklärung)
»Man muß einfach Geschichten erfinden, Dinge erzählen, die sich in Tatsachen ausdrücken lassen, heute dies, morgen jenes, sich damit Zeit lassen. Ganz ähnlich wie wenn man einen Unterhaltungsroman schriebe. Dann das andere hineinarbeiten.« (Robert Musil, Aus den Tagebüchern)
»Was meinen Sie mit ›zu literarisch‹? Was streichen Sie, bestimmte Arten von Wörtern?
Adjektive, Adverbien und überhaupt jedes Wort, das nur dasteht, um Eindruck zu machen. Jeden Satz, der nur um seiner selbst willen dasteht. Wenn Ihnen ein Satz wunderschön vorkommt – lassen Sie ihn weg!« (Georges Simenon im Gespräch mit Carvel Collins)