Öffentlicher Dienst: Öffentlicher Dienst

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I LOVE URLAUB (Agaete)

Um kurz nach fünf wachgeworden. Um halb sechs Kaffee und kurzes Lesen im Bett, danach aufstehen, packen und um sieben Uhr mit dem Taxi zum Flughafen. Das Kofferabgeben und Einchecken geht sehr schnell. Um halb neun sitzen wir behaglich gegenüber unseres Abfluggates und warten auf den Abflug um halb zehn. Gemütlicher Flug nach Frankfurt, dann langer Marsch durch den Flughafen zum Gate B2. Um Viertel nach elf dort. Unser Flug ist überbucht und es werden zwei Passagiere gesucht, die auf ihren Flug verzichten und stattdessen später an diesem Tag oder morgen fliegen möchten. Alexandra erkundigt sich nach den Konditionen. Es werden vierhundert Euro pro Sitz geboten. Wir würden das Geld annehmen, wenn wir die Garantie hätten, heute noch wegzukommen. Diese gibt es aber nicht, insofern verzichten wir auf die Offerte und gehen stattdessen an Bord. Sehr guter Flug. Obwohl der Flug überbucht war, hatten wir als einzige Passagiere sogar einen freien Platz in unserer Dreier-Reihe und konnten uns deshalb richtig ausbreiten. 

Um kurz vor sechzehn Uhr Landung. Dann zum Mietwagenschalter, vor dem sich eine lange Warteschlange gebildet hat. Um kurz vor siebzehn Uhr bekommen wir unseren Wagen zugewiesen, gehen ins Parkhaus und erhalten die Schlüssel für einen Hyundai i10. Einladen und los. Wir fahren im dichten Feierabendverkehr nach Agaete, das etwa fünfundfünfzig Minuten entfernt ist, und verlassen zehn Minuten vor dem Ziel die Autobahn und steuern einen großen Hiperdino an, wo wir uns mit ersten Vorräten eindecken. Außerdem kaufen wir einen Salat und ein Sushi-Gedeck, welches wir an einem von zwei Tischen hinter der Kasse neben dem Kaffeeautomaten mit einer Flasche Cola Light verspeisen. Danach Weiterfahrt nach Agaete. Die Straßen werden eng, kurvig und hügelig. Die Einfahrt unseres Ferienapartments liegt am Ende einer Rampe in einer Sackgasse und bietet einen abenteuerlich schmalen Parkplatz. Der ächzende Hyundai schafft es nicht ganz über die letzte Schwelle. Ich stelle den Motor ab, steige aus und bin nicht zufrieden mit der Parkposition, weil das Heck bis zum Straßenrand reicht. Also steige ich wieder ein und versuche, den Motor zu starten, was mir aber nicht gelingt. Immer wieder versuche ich es, fahre dabei aber nicht nach vorn, sondern rolle immer weiter zurück. Die Anzeige auf Spanisch deutet auf Batterieprobleme hin. Ich bin wütend und müde.

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Das will ich auch

Wolfgang war der erste Student, den ich kennenlernte: Er war Mitte dreißig, studierte im fünfundzwanzigsten oder fünfunddreißigsten Semester Germanistik und wohnte mit seiner Freundin Karin in einer riesigen Altbauwohnung in einem szenigen, linksalternativen Stadtteil von Hannover mit Flipperkneipen, Ökoläden und viel Graffiti … Wolfgang wurde mein Role Model – und zur 88. Ausgabe der Münsteraner Literaturzeitschrift »Am Erker« habe ich einen Text über ihn und seinen Werdegang beigesteuert. Die Ausgabe trägt den Titel »Das will ich auch. Literarische Lebensentwürfe« und enthält viele persönliche – mal ernste, mal heitere –Beiträge von geschätzten Kolleginnen und Kollegen wie u.a. Tanja Dückers, René Hamann, Gerhard Henschel, Sabine Peters oder Christian Y. Schmidt.

Der Text über Wolfgang ist bereits meine zwölfte »Am Erker«-Veröffentlichung. Meine erste erschien vor 27 Jahren in der Winter-Ausgabe von 1998 zum Thema »Klassen Kampf«. Es war eine Erzählung über einen jungen Bildhauer, die Geschichte trug den Titel »Der erotische Kosmos der Vergeblichkeit« und mitunter habe ich das Gefühl, seit dreißig Jahren denselben Text zu schreiben.

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Leistungsschauen

In diesem Monat haben mich gleich zwei Neuerscheinungen erreicht, zu denen ich auf die ein oder andere Weise beigetragen habe. Zum einen die 19. Ausgabe des Ziegels, eine über 400 Seiten pralle Leistungsschau der Hamburger Literaturszene, zu der ich vorerst als frischer Ex-Hamburger und Berlin-Rückkehrer vermutlich zum letzten Mal einen Beitrag beisteuern durfte. Das Thema des Hamburger Jahrbuchs für Literatur lautet Musik und in dem Band ist meine Erzählung »John« abgedruckt, eine What-if-Fantasie über John Lennons Karriere der letzten vierzig Jahre.

Zum anderen flatterte mir ein wie immer anmutig gestaltetetes Taschenbuch aus dem Berenberg Verlag ins Haus, in dem der Verleger meiner Bücher »Selfies ohne Selbst« und »Auf Sendung« selbst zur Feder bzw. Tastatur griff und klug und geistreich über ausgewählte Bücher und Autor*innen seines Verlags Auskunft gibt. Das Buch heißt »Vom Stemmen der Gewichte«, trägt den hintersinnigen Untertitel »News and Letters« und enthält u.a. einen Text über Michael Rutschky und mich mit dem Titel »Die Wahrheit der Autofiktion«.

Auch dieses Buch lässt sich durchaus als Leistungsschau begreifen – und ich bin Heinrich von Berenberg dankbar für seine Arbeit als Verleger und fühle mich angesichts des Klappentextes geschmeichelt und geehrt: »Die Autorinnen (und auch die Autoren), um die es in und anhand dieser Texte geht, erscheinen mir in diesen Zeiten unter literarischen, aber auch unter politischen Gesichtspunkten als so wichtig und auch bedeutend, dass hier nachgelesen werden kann, was ich, hoffentlich, von ihnen und im Austausch mit ihnen gelernt habe. Es ist viel; es hat mich, meine Ansichten und meine Gedanken verändert und bereichert, und das, finde ich, ist das Beste, was die Arbeit als Verleger von Büchern hergeben kann.«

Diesen letzten Satz hätte ich nicht so fein formulieren können, kann ihn als Verleger des SUKULTUR Verlags allerdings mit Nachdruck unterschreiben. 

Berliner Straße

Sonntag, 9. März 2025, Berlin

Gegen 17 Uhr fahren Alexandra und ich vom Hansaplatz mit der U9 Richtung Steglitz. An der Station Berliner Straße gibt es eine Durchsage – alle müssen aussteigen, weil die U-Bahn nicht mehr weiterfahre. Stellwerkprobleme. Ein Herr im hellen Trenchcoat schaut sich ratlos um und spricht Alexandra und mich an. »Wie geht es denn jetzt weiter?« Unterm Arm trägt er die aktuelle Ausgabe der Literaturzeitschrift »Sinn und Form«. Alexandra wiederholt, was sie verstanden hat, er nickt und ich erkundige mich, ob er der Gesprächspartner in einem Interview in der Literaturzeitschrift sei. Er schaut mich überrascht an und bejaht die Frage. Ich erkläre, dass ich das Interview mit großer Freude gelesen habe und er darin ja erzähle, dass es ihm in Berlin oft passiere, dass ihn Leserinnen und Leser seiner Werke auf der Straße ansprechen … Diese Aussage wolle ich nun gern bestätigen und gebe mich als Bewunderer seiner Texte und Bücher zu erkennen. Uwe Timm lächelt beglückt. Er berichtet, dass er die Ausgabe gerade erst erhalten habe, bei einem Treffen mit einem Freund. Eine neue Durchsage ertönt: Die U-Bahn fährt doch noch eine Station weiter. Wir steigen wieder ein und plaudern vergnügt während der kurzen Fahrt. Am Bundesplatz müssen dann alle Fahrgäste die U-Bahn verlassen und am Bahnsteig tippe ich meinen Namen und meine E-Mail-Adresse in Uwe Timms Handy. Anschließend verabschieden wir uns voneinander. Uwe Timm ist am Ziel und Alexandra und ich setzen unsere Reise mit dem Bus fort.

Midlife-Prosa

midlife prosa

Selten erstehe ich Bücher wegen ihres Klappentextes, doch bei »Midlife-Prosa« von Mara Genschel habe ich eine Ausnahme gemacht. Zum Glück, denn die neun performativen Erzählungen in dem Band sind genauso anmutig und entzückend wie die Zeilen auf der Umschlagrückseite: »Ein richtig schöner Text in einem wirklich schönen Buch. Mit einem richtig schönen Titel. Ohne Nazis und in einer ihr enges Deutschsein geschickt verschleiernden Herrenhose aus der Fußgängerzone. Ich bin diese Zukunft. Und ich handele endlich wieder von der Liebe.« 

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