

Crystal City, Arlington
Alle meine Romane spielen in meiner Heimat. Sie sind einerseits selbstständig und eigenen Gesetzen unterworfen, gleichzeitig verweisen sie aufeinander und berühren sich. So wie das Ruhrgebiet, das im raumsoziologischen Sinne ja keine Metropole ist, sondern ein Rhizom mit einer vernetzten Struktur ohne Mitte. Deshalb glaube ich, dass sich das Ruhrgebiet in meinen Romanen weniger im Inhalt, als vielmehr in der Form widerspiegelt. Meine Romane behandeln nicht das Ruhrgebiet, sie sind wie das Ruhrgebiet.

Hamburg, Lokstedt

Keele Street, Toronto
Der Tag des Umzugs. Um kurz nach neun waren die Packer da, um zwanzig vor zwölf setzte ich mich in mein fast leeres Arbeitszimmer ein letztes Mal zum Schreiben. Zwei Stunden später war alles verschwunden. Die eingepackten Möbel, mein Rucksack, der Stuhl und ich.

Lavigne am Lake Nipissing
Draußen stürmte es fürchterlich. Die Ausläufer des Tropensturms Harvey hatten das Cottage erreicht. Obwohl alle Türen und Fenster geschlossen waren, wirbelten die Vorhänge wild im Luftzug. Frühstück mit Bagel, Tagebuch und Aprikosen.

Wilhelmstraße, Bonn
Mein erstes Arbeitszimmer in Bonn. Statt Vorhängen gab es Rollläden. Um die Fenster zu putzen, musste ich das halbe Büro umbauen. In vier Jahren habe ich es einmal getan. Unten auf der Straße vor den Fenstern fuhr die Straßenbahn. Ich schaute in die Büroetagen des gegenüberliegenden Hauses und die Menschen darin schauten zurück. Es war eine Mönchszelle in einem Großraumbüro.

U.S. Pacific Hotel, New York
Ich war mittags mit dem Greyhound Bus aus Baltimore angereist und hatte mich in Chinatown in einem der billigsten Hotels der Stadt eingemietet. Als ich um achtzehn Uhr dreißig das Zimmer verließ und in die KGB Bar zur Lesung ging, zu der Giancarlo DiTrapano eingeladen hatte, hörte ich aus dem Nebenzimmer Lachen und einen lauten Fernseher. Als ich um Mitternacht in das Hotel zurückkehrte, war aus dem Nebenzimmer das Lachen und der Fernseher immer noch zu hören. Waren meine Nachbarn nach New York gereist, um den Abend in ihrem Zimmer zu verbringen und fernzusehen? Wem es in diesem Hotel gefiel, dem gefiel es auch im Knast.


Morgen ist der offizielle Erscheinungstermin des neuen ZIEGEL. Die siebzehnte Ausgabe des Hamburger Jahrbuchs für Literatur, herausgegeben von Antje Flemming und Jürgen Abel, illustriert von Sascha Hommer und erschienen im Mairisch Verlag, ist randvoll gefüllt mit Erzählungen, Gedichten, Kurzdramen und Comics von u.a. Nefeli Kavouras, Karen Köhler, Roberta Schneider, Claudia Schumacher, Johanna Sebauer, Leonhard Hieronymi, Anselm Neft, Alexander Posch u.v.a.m.
Die Anthologie enthält auch einen Auszug meines neuen, noch in Arbeit befindlichen Romans, dessen Arbeit ich exakt heute vor fünf Jahren in Toronto begonnen habe.



Die Arbeit ist immer noch nicht abgeschlossen und das Manuskript inzwischen dicker als der Ziegel.


