»Marc Degens versammelt Vollmundig-Metapoetisches zu einem Mansplaining-Dramolett«, heißt es im Newsletter über meinen Text, der im neuen Merkur auf 14 Seiten abgedruckt ist. Die neue Ausgabe (Nummer 862, März 2021) ist auf jeden Fall sehr zu empfehlen, nicht nur für…
Eine Instagram-Freundin hat mich heute dankenswerterweise darauf hingewiesen, dass ein Spammer mein Profil kopiert und auch schon begonnen hat, Frauen zu folgen. Er (?) führt bestimmt nichts Gutes im Schilde. Der Account wurde bereits gemeldet und ist im Moment auch nicht mehr erreichbar. Bleibt wachsam!
Im Mare Künstlerhaus trank ich meinen Tee aus Roger Willemsens Kanne, las in seinen Büchern und arbeitete an fünf Manuskripten gleichzeitig. Fünfundzwanzig Jahre nachdem ich ihn und seine Unterlagen in der allerersten Sitzung seines Hauptseminars versehentlich mit Kakao überschüttet hatte. Der Titel der Veranstaltung: Das Ich in der Geschichte.
»Mitte der Achtziger gab es nur wenige Bars und Kneipen für Künstler und Szenegänger im Schanzenviertel. Das Subito unweit des Schulterblatts war damals ein Treffpunkt. […] Bernd Begemann und Bela B. gingen in der Souterrain-Kneipe ein und aus. Wie alle ließ auch Unverricht dort anschreiben. Als ein Bekannter von ihm die Kneipe übernahm, half er beim Renovieren. In einer Schublade fanden sie unbezahlte Deckel. Bei rund 50.000 Mark, so schien es, hatte der alte Wirt aufgehört, die Schulden der Gäste aufzuschreiben. Heute steht der Laden leer, überall kleben Plakate und Sticker, die Eingangstür ist voller Graffiti. Nichts erinnert mehr an die Kneipe.«
(Sebastian Grunke über Max Unverricht, Freitag 30/2018)
»Das ›Subito‹ war nicht nur irgendeine Kneipe, auf deren Spuren sich nun vielleicht immerhin Doktoranden der Literaturwissenschaft setzen werden. Inmitten der saturierten späten Bundesrepublik war es ein Ort existentieller Kämpfe, die wirklich wahre Wirklichkeit im falschen Leben, eine Künstlerrepublik, ein Greenwich Village der Post-Punk-Gitarrenmusik. ›Und jetzt, los ihr Ärsche, ab ins Subito‹, lautete der letzte Satz des Textes, auf den Rainald Goetz 1983 in Klagenfurt das Blut tropfen ließ, als er sich beim Bachmannwettlesen mit einer Rasierklinge die Stirn aufschlitzte. Eine Szene, die längst in die Literaturgeschichte eingegangen ist. […] Ein Drittel der ›Subito‹-Stammgäste von damals hat sich inzwischen garantiert totgetrunken oder irgendwie den Absprung geschafft. Ein weiteres Drittel wurde erst mal Musik- und dann Magazin-Journalist. Und das restliche Drittel trat den langen künstlerischen Marsch durch die Institutionen an. Blixa Bargeld von den Einstürzenden Nachbauten macht inzwischen so etwas wie Hochkultur-Avantgarde. Diedrich Diederichsen ist Kunstprofessor. Nick Cave hat es irgendwie geschafft, älter zu werden. Und Rainald Goetz – 1954 geboren, Immermitschreiber, Doppel-Doktor in Geschichte und Medizin, passionierter Fahrradfahrer, Autor von inzwischen etwa einem Dutzend Bücher –, Rainald Goetz hat jetzt den Büchnerpreis, immer noch Deutschlands renommierteste Literaturauszeichnung.«
(Dirk Knipphals, taz 8.7.2015)
»– Thema Rock’n’Roll und so: Am meisten gings damals ab im SUBITO an der Stresemann-, Ecke Juliusstraße. Alter, dat war Rock’n’Roll! Nick Cave is da hingegangen, Blixa Bargeld und die ganzen Hamburger Abwärts-Typen. Die Musik war eher so punkig, Neubauten und so weiter. Kein DJ, alles von Tape oder CD. Clubkultur, sach ich mal, so mit DJ in fast jedem Laden, das kam erst später. Zum Schluss jedenfalls, als der Laden fertig war, hat der Besitzer Kasper alle unbezahlten Deckel an die Kneipenwand genagelt. 50 Mark. 100 Mark. Einer, von Nick Cave, glaube ich, hundert-drei-und-dreißig Mark, Alter. Dabei kostete dat Bier damals nur einsfuffzich! […] Irgendwann stand das Ding leer, einzwei Jahre. Und dann, was kam da rein? Ich weiß et jarnich genau… Kinderklamotten, oder so.«
(St. Pauli normal, Charly König, Rock’n’Roll, Tekkno und Dark Rooms)
»›Ihr hattet die Power, den Willen, den Mut, heute Abend rauszugehen. Ihr habt mehr Power als die meisten, die diesen Weg nicht gewagt haben. Dieser Applaus ist euer Applaus!‹ Rocko Schamoni sitzt zwischen Bierflaschen und einem Sektkübel auf der Bühne im Festsaal Kreuzberg und flirtet sein Publikum extrem platt an. Man nimmt es ihm nicht übel, denn so ein Verhalten ist den Lesern seines Romans ›Sternstunden der Bedeutungslosigkeit‹ bekannt. […] Wenn Schamonis Protagonist Michael Sonntag an die Hamburger Frauen ran will, dann packt er noch viel dreistere Plattitüden aus. Donnerstagnacht zieht es die ›Überflüssigen‹ Hamburgs in Schamonis Roman Richtung Kiez. Die Nächte enden nach einigen Linien Speed frühmorgens im alkoholischen Exzess. Die, die heute durch die vermeintliche Katastrophennacht zum Festsaal gewatet sind, wirken da vergleichsweise brav. […] Als die Eckkneipe an der Hamburger Stresemannstraße noch Subito hieß, waren die meisten hier für Abstürze noch zu jung. Im Buch wird der Laden Nasenbär genannt, heute heißt er tatsächlich so, und bietet – Ironie der Zeit – Artikel für Mutterglück und Kinderträume an. Fakt oder Fiktion, Wechsel der Generationen, allüberall.«
Ein Zimmer wie in einem amerikanischen Road-Movie. Das Doppelbett, der Fernseher, hinten die Tür ins Badezimmer … Die einzige Fluchtmöglichkeit. Durch die aufgezogenen Vorhänge des Fensters sehe ich auf den Parkplatz, auf die von einer Laterne angestrahlten Schneehaufen und die Dunkelheit dahinter. Ich fotografiere die Ansicht vom Bett aus und veröffentliche das Bild auf Twitter. Mein alter Freund Jochen reagiert sofort und fragt, was in der großen schwarzen Plastiktüte neben der Tür sei. Er vermutet ein Kopf.
Mittags Sushi essen, im Kopf konzipiere ich einen neuen lustigen Gegenwartsroman, Knie 2.
Samstag, 30. Juni 2012, Bonn
Mittags zur Eisdiele nach Friesdorf, unterwegs viele Ideen für das neue Romanprojekt mit dem Titel Anders.
Montag, 2. Juli 2012, Bonn
Morgens Anfang an Anders. Komme gut voran. Nachmittags zweite Schreibrunde am zweiten Kapitel.
Mittwoch, 4. Juli 2012, Bonn
Morgens Arbeit an Anders. Am späten Nachmittag zum Dylan-Konzert. Um 22 Uhr 45 wieder daheim mit vielen Eindrücken.
Freitag, 6. Juli 2012, Bonn
Morgens Arbeit am Abrentnern-Kapitel. Neuer Romantitel: Das längste Lied der Welt. Zweifel: Ist das nicht viel zu banal? Und habe ich das nicht alles schon einmal in meinen früheren Büchern geschrieben? Die Leute, die Szenen und Einfälle?
Freitag, 13. Juli 2012, Bonn
Morgens Arbeit am Lied, Kapitel 3 und 4, vorläufig fertig. 11 Seiten in einer Arbeitswoche, sehr gut.
Morgens Arbeit am Lied, viele Notizen. Je mehr Zeit man auf einen Text verwendet, um so besser wird er. Deshalb bin ich Schriftsteller geworden, um ein Maximum an Zeit auf meine Texte verwenden zu können.
Montag, 17. September 2012, Bonn
Morgens Korrekturen am Lied, Kapitel 15, fast dreieinhalb Stunden, trotzdem noch nicht fertig. Zum Schreiben braucht man vor allen Dingen eins – Geduld.
Montag, 19. November 2012, New York/Amsterdam
Kurzer Flug, wahrscheinlich unter sechseinhalb Stunden. Ich habe die ganze Zeit geschlafen, ausgestreckt auf drei freien Sitzen, und dabei ganz viele Heureka-Momente gehabt: Was ich mit der Popmoderne-Kolumne mache, mit welcher Szene ich Fuckin‘ Sushi enden lasse, welchen Roman ich überhaupt schreiben werde. Entschluss: Ich konzentriere mich jetzt voll und ganz auf Fuckin‘ Sushi und werde alles daransetzen, ein New York-Stipendium zu ergattern.
Montag, 26. November 2012, Bonn
Hammertag. Morgens Arbeit an Sushi, Kapitel 1 und 2, danach Telefonat mit der Kunststiftung NRW und Arbeit an der Stipendien-Bewerbung, die Freitag unbedingt in Düsseldorf sein muss.
Freitag, 21. Dezember 2012, Bonn
Angeblicher Weltuntergang laut Prophezeiung der Mayas. Im Rohentwurf habe ich bislang 100 Manuskriptseiten, außerdem Skizzen für die drei Bonus-Kapitel (u.a. eine Playlist und ein unveröffentlichtes Interview mit allen vier Sushis) und den halben Epilog (der in New York spielt und erklärt, wer Sasha ist).
Dienstag, 22. Januar 2013, Bonn
Ziemlich trüber Tag, vormittags recht uninspiriert an Sushi 6 gearbeitet. Starke Zweifel, ob Sushi wirklich das richtige Romanprojekt ist.
Mittwoch, 6. Februar 2013, Bonn
Morgens Arbeit an Sushi 8, eine Seite korrigiert, dann kommt per Post die Nachricht, dass ich für Das längste Lied der Welt das Arbeitsstipendium der Kunststiftung NRW erhalten habe. Vor Freude kann ich nicht mehr weiterarbeiten.
Samstag, 16. Februar 2013, Bonn
Neuer Romantitel: Zombieschleuder.
Sonntag, 17. Februar 2013, Bonn
Nachmittags mit dem Fahrrad nach Friesdorf und eine Zombieschleuder-Location (Fledermaus-Station) angeschaut und fotografiert, anschließend in die Eisdiele am Klufterplatz.
Mittwoch, 20. Februar 2013, Bonn
Morgens weiter an Sushi. Ich habe insbesondere den stotternden Anfang geglättet, Motive verstärkt, Überleitungen verbessert, auch die Zwischenüberschriften rausgenommen – dadurch schnurrt es viel besser. Ich muss auch auf alle Schreibreflexionen verzichten (die dienen nur der Selbstvergewisserung). Außerdem habe ich Zombie 9 gelöscht, die Freakgeschichte baue ich später ein.
Dienstag, 26. Februar 2013, Bonn
Morgens weiter an Zombie. Mich verunsichert die Titelfrage. Zombieschleuder oder doch Fuckin‘ Sushi?
Dienstag, 12. März 2013, Bonn
Morgens Arbeit an Zombie, gut vorangekommen. Ich schreibe keine realistischen Geschichten über Angestellte oder Krankheiten, sondern moderne Märchen über Außenseiter, Künstler und Spinner. Warum? Weil es Spaß macht.
Mittwoch, 13. März 2013, Bonn
Morgens weiter an Zombie 10, korrigiert und beendet, dazu Notizen für 11 durchgeschaut und Teile neu zusammengeschoben. An diesem Tag wird meine Romanfigur Niels achtzehn Jahre alt. Der Schnee türmt sich vor der Tür. Einen so kalten Winter gab es angeblich zuletzt vor zwanzig Jahren.
Donnerstag, 11. April 2013, Berlin
Entschluss, den Roman doch wieder Fuckin‘ Sushi zu nennen.
Freitag, 21. Juni 2013, Bonn
Morgens sehr gut an Sushi gearbeitet, nicht nur an Sushi 14, auch konzeptionell. Neue Titelidee: Telekong.
Dienstag, 25. Juni 2013, Dorsten
Gedanke beim Schreiben: Besser kann ich nicht.
Samstag, 29. Juni 2013, Dorsten/Brühl/Bonn
Um 11 Uhr 14 mit dem Zug nach Oberhausen – inmitten besoffener Jugendlicher, die zum »Ruhr in Love«-Rave-Festival fahren. Die meisten sind eigentlich ganz nett und ich werde zum Mittrinken eingeladen: 43er mit Milch. Ganz lecker. Als ich aussteige, bin ich leider taub.
Dienstag, 2. Juli 2013, Bonn
Morgens weiter an Sushi 15, gut gearbeitet. Vor genau einem Jahr habe ich mit der Schreibarbeit an Sushi angefangen, quasi von Null an, ein Jahr später bin ich im Manuskript auf Seite 98, das komplette Handlungsgerüst steht und ich habe zahlreiche weitere Seiten mit Entwürfen.
Sonntag, 7. Juli 2013, Bonn
Nach Rhöndorf gefahren. Schnuckelige Stadt, auf dem Marktplatz Festzelt, Musikkapelle, Pommes- und Bierbude. Besichtigung eines urigen Gasthauses und Führung durch Konrad Adenauers Wohnhaus. Ein Superausflug. Anschließend mit dem Fahrrad zurück nach Bonn – über die Eisdiele am Klufterplatz.
Montag, 30. September 2013, Berlin
Sushi-Quartalsabschluss und Planung des nächsten Schreibpensums: Das Manuskript nach dem dritten Quartal umfasst 137 Seiten, drei weniger als geplant.
Mittwoch, 23. Oktober 2013, Bonn
Morgens weiter an Sushi 22 und 23. Momentan habe ich einige Zweifel an dem Projekt, generelle (wen interessiert das?), aber auch konkrete (Zeitplan). Sofortmaßnahme: Ich werde mein Comic-Projekt auf Mitte nächsten Jahres verschieben.
Freitag, 8. November 2013, Bonn
Morgens weiter an Sushi 24, gut gearbeitet. Die Romanstellen, in denen sich die Handlung überschlägt, sind die, die im Gedächtnis des Lesers haften bleiben und die sich fast von allein schreiben. Für das Funktionieren eines Romans viel wichtiger sind aber wahrscheinlich die »Überbrückungsszene«, in denen nicht die Handlung im Vordergrund steht, sondern die Atmosphäre: Pinkeln, rauchen, Parkplatzsuche, warten.
Freitag, 6. Dezember 2013, Bonn
Morgens weiter an Sushi 27, gut gearbeitet und das Kapitel vorläufig beendet. Gedanke beim Schreiben: Man muss eine riesige Maschine aufbauen, die so groß wie eine Fabrikhalle ist und dafür hat man nur einen Schraubenzieher mit einer winzigen Spitze zur Verfügung.
Mittwoch, 8. Januar 2014, Bonn
Arbeit an Sushi 30. Den Punkt erreicht, wo sich Literatur und Leben überlappen. Vor anderthalb Jahren, im Juli 2012, begann ich den Roman zu schreiben, der anderthalb Jahre zuvor, im Januar 2010 einsetzte. Jetzt nach anderthalb Jahren Schreibarbeit habe ich in dem Roman genau diesen Zeitpunkt (Juli 2012) erreicht. Anderthalb Jahre Schreibarbeit für anderthalb Jahre Leben.
Freitag, 10. Januar 2014, Bonn
Morgens weiter an Sushi 30. Wenn ich tief in der Romanarbeit stecke, führe ich eine Art Parallelleben und es macht mir Spaß, schöne und lustige Dinge zu schreiben, weil ich dann auch schöne und lustige Dinge erlebe.
Donnerstag, 20. März 2014, Bonn/Berlin
Um 6 Uhr aufgestanden, um kurz nach 8 mit dem Zug nach Berlin. Unterwegs Musikhören und Schreibtischarbeiten, dann noch eine halbe Stunde an Sushi gearbeitet, eine Seite gekürzt und den neuen Titel (Bonn to be wild) eingetragen.
Donnerstag, 3. April 2014, Bonn
Morgens und nachmittags weiter an Sushi 35 und 36. Gut gearbeitet und dabei die Idee für einen Clou gehabt. Plotmäßig ein echter Durchbruch.
Freitag, 4. April 2014, Bonn
Morgens gut und flott an Sushi 36 geschrieben. Die Handlung spitzt sich immer weiter zu und die Fäden vom Anfang verbinden sich zu einem engmaschigen Netz, das sich jetzt fast von allein schreibt.
Donnerstag, 24. April 2014, Dorsten
Morgens an Sushi 37 geschrieben – ich bin jetzt genau an der Stelle, an der das erste Kapitel quasi als Prolog/Vorschau einsetzt und werde parallel das 37., 38. und das 1. Kapitel schreiben.
Mittwoch, 30. April 2014, Bonn
Morgens weiter an Sushi 1 und das Anfangskapitel grundsätzlich überarbeitet. Hinterher in einem Zug Sushi 38 grob niedergeschrieben, anschließend Schmerzen in der Brust und im linken Arm. Monatsschreibabrechnung: 228 Romanseiten wollte ich Ende des Monats haben, 227 sind es geworden. Ein gutes Ergebnis.
Dienstag, 6. Mai 2014, Bonn/Toronto
Um 10 Uhr 24 mit der Straßenbahn nach Siegburg, von dort mit dem ICE zum Frankfurter Flughafen und um 14 Uhr nach Toronto. Die Flugzeit beträgt knapp siebeneinhalb Stunden. Um 17 Uhr Ortszeit Ankunft in Kanada. Im Flugzeug fast die ganze Zeit an Sushi gearbeitet. Korrekturen der ersten Kapitel, aber auch Arbeit an Sushi 38.
Freitag, 16. Mai 2014, Bonn
Um Viertel vor 7 aufgestanden und weiter an Sushi 39. Flott 3 Seiten geschrieben. Nachmittags weiter an Sushi 39. Bis 19 Uhr gut geschrieben, insgesamt heute fast fünfeinhalb Seiten. Auf das Entjungferungs-Kapitel hatte ich mich schon lange gefreut.
Dienstag, 20. Mai 2014, Bonn
Morgens weiter an Sushi und die ersten Kapitel überarbeitet. Viel nachgedacht über den Fortgang von Sushi und ein paar gute Ideen gehabt, wie ich das Ende gestalte. Inzwischen habe ich auch den Glauben daran, Sushi in der geplanten Schreibzeit abschließen zu können – trotz Umzug nach Kanada.
Mittwoch, 2. Juli 2014, Bonn
Arbeit an Sushi 41, gut vorangekommen. Am Freitag, den 29. Juni 2012, hatte ich die erste Idee zu Sushi. Der Arbeitstitel lautete damals Anders. Drei Tage später, am Montag, den 2. Juli 2012, begann ich mit dem Schreiben. Heute, genau 2 Jahre später, arbeite ich am 42. Kapitel und habe 243 Manuskriptseiten fertig.
Dienstag, 5. August 2014, Toronto
Um halb sieben aufgestanden, um 8 Uhr an den Schreibtisch und nach 12 Tagen wieder an Sushi gearbeitet und die ersten Seiten von Sushi 42 korrigiert. Unkonzentriert gearbeitet, die Dunkelheit in der Basement-Übergangswohnung macht mich ziemlich müde. Spaziergang mit Computer nebenan in den Park, der gerade gemäht wurde, Flucht auf einen Spielplatz und dort gearbeitet.
Mittwoch, 6. August 2014, Toronto
Um 8 Uhr weiter an Sushi 42. Gut gearbeitet, auch weil ich den Schreibtisch ans Fenster gerückt habe.
Mittwoch, 13. August 2014, New York
David schickt mir seinen Blurb für Fuckin Sushi: Ich hätte gern in dieser Band gespielt. Kurz, knackig und wagneresk. Der Blurb gefällt mir sehr gut. Abends im Hotelzimmer zwei Stunden lang weiter an Sushi 42.
Freitag, 15. August 2014, New York
Arbeit an Sushi42 – eine Seite korrigiert und Notizen für den Fortgang des Kapitels und der Interview-Bonus-Szene zusammengestellt.
Mittwoch, 10. September 2014, Toronto
Weiter an Sushi 43. Erst gar nicht reingekommen, alles schlecht gefunden und Satz für Satz gestrichen. Abbruch und Entschluss, mich ins Bett zu legen und Comics zu lesen. Dabei arbeite ich aber doch weiter an Sushi 43 und schreibe schließlich in einem Rutsch bis 13 Uhr eine vorläufige Version des gesamten Kapitels.
Donnerstag, 11. September 2014, Toronto
Nach dem Frühstück weiter an Sushi 43, die Autostreitszene überarbeitet und Notizen sortiert. Insgesamt sehr zufrieden, weil ich sehe, dass ich zum Schluss komme und erkenne, dass das bisher Geschriebene gar nicht so schlecht ist.
Freitag, 12. September 2014, Toronto
Um 7 Uhr aufgestanden, gut an Sushi 43 weitergeschrieben und danach ausgiebig an der Tumblr-Seite gearbeitet. Idee für eine »artsy« Buchvorstellung ohne Lesung mit Internetseiten-Präsentation auf Bildschirmen und mit Lautsprechern, bei denen die Videos gleichzeitig mit Zappen zwischen den einzelnen Fotos und Videos laufen und übereinandergelegt einen lärmenden Klangteppich bilden. Vielleicht was für die Art Metropole und/oder New York?
Freitag, 19. September 2014, Toronto
Fuckin Sushi wird immer länger. Die Geschichte hat eine Eigendynamik entwickelt und muss auserzählt werden. Ich kann nicht einfach irgendwo Schluss machen. Als Historiker kann man auch nicht ein Buch über den Zweiten Weltkrieg schreiben und 1943 aufhören.
Mittwoch, 24. September 2014, Toronto
Mein Verlag vermeldet auf Facebook, dass Fuckin Sushi im Frühjahr 2015 erscheinen wird. Arbeit an Sushi, eine Seite korrigiert, danach die letzten vier oder fünf Kapitel skizziert.
Sonntag, 26. Oktober 2014, Toronto
Die letzten Korrekturen am Sushi-Manuskript gemacht und das Manuskript (Kapitel 1-49 plus Bonus) an meinen Lektor und danach an meine Probeleser geschickt. Abends ins Shoxs und die Abgabe gefeiert. Burger, flippern, Bier. Hinterher schlecht.
Sonntag, 30. November 2014, Toronto
Bis 13 Uhr Sushi korrigiert und die Entjungferungsszene und das Schluss-Kapitel überarbeitet. Lesen, Mittagsschlaf, Kaffee und die letzten Korrekturen eingegeben, Anmerkungen für den Satz und den Korrektor gemacht und dann um 18.59 die E-Mail mit dem Manuskript an meinen Lektor geschickt. Am 2. Juli 2012 habe ich Fuckin Sushi gestartet, am 30. November 2014 habe ich die Arbeit nach 2 Jahren und 5 Monaten beendet. Das Manuskript umfasst 353 Seiten. 881 Tage habe ich insgesamt geschrieben. Das macht einen Durchschnitt von 0,40 Manuskriptseiten pro Tag.
1. Als ich aus der von mir mitgegründeten Band geflogen war, schrieb ich meinen ersten Roman – aus Rache. Von November 1994 bis Januar 1996, jede Woche mindestens fünf Seiten. Bei meinem Semesterferienjob in der Poststelle vervielfältige ich das Manuskript dreißigmal und verschickte es an alle mir bekannten Verlage: Suhrkamp, Rowohlt, Hanser, Kiepenheuer & Witsch … Ein Freund empfahl mir auch noch einen mir unbekannten Verlag in Schwaben, Alkyon, dem ich den Roman ebenfalls schickte. Die erste Antwort, die ich auf meine unverlangte Manuskripteinsendung erhielt, war eine Veröffentlichungszusage. Danach folgten neunundzwanzig Absagen. Im Herbst 1997 erschien mein Roman dann unter dem Titel »Vanity Love« mit einem Klappentext von Dietmar Dath im Alkyon Verlag. Die einzige Rezension, die mein Roman bekam, war ein Verriss in dem Science-Fiction-Fanzine des späteren Perry-Rhodan-Chefredakteurs. Ich war 26 Jahre alt und kein Debütant mehr.
2. In einer von meinem Lektor gestrichenen, autofiktionalen Romanszene erzählte ich über meine Schreibanfänge, ausgelöst durch meine Nichtversetzung in die zehnte Klasse: »In den Sommerferien keimte in mir der Wunsch auf, Schriftsteller zu werden. Durch mein Schulversagen hatte mein Selbstwertgefühl einen erheblichen Knacks bekommen; nun fühlte ich mich nicht mehr nur hässlich, sondern dazu auch noch dumm. Da ich endlich – nach mehreren Jahren – Freunde in meiner alten Jahrgangsstufe gefunden hatte und darüber hinaus von den meisten Mitschülern durch meine unauffällige Anbiederei akzeptiert wurde, stürzte mich die unumkehrbare, grausam empfundene Umpflanzung in erste Depressionen. Meine ausgeprägten Minderwertigkeitsgefühle versuchte ich schließlich durch äußerliche und auch innerlich permanent wachsende Extravaganzen zu vertuschen, und zu Beginn der Sommerferien nahm ich mir vor, Kenntnisse in der ernsthaften Literatur zu erwerben. Zum einen suchte ich in der Literatur Flucht, zum anderen Feinsinn. Meiner Person sollte das Lesen Erhabenheit einhauchen. Wenn schon ein Versager, dann wenigstens ein bewundernswerter Versager. Den Urlaub mit meinen Eltern am Balaton nutzte ich zur eifrigen Lektüre. In einem Antiquariat in Budapest erstand ich, neben den Reisebeschreibungen des Marco Polo, zwei Bände aus Friedrich von Schillers Gesammelten Werken. Einen Band mit seinen sämtlichen Gedichten, der andere mit seinen ersten drei Prosadramen: zwei bibliophile Bücher von 1898 in Sütterlinschrift für jeweils sechs Mark. Nach zwei Tagen hatte ich Schillers Gedichte im Schnelldurchlauf gelesen, nach weiteren drei Tagen die Theaterstücke, die mich besonders begeisterten. Nun fühlte ich mich als Literaturkenner und sah mich befähigt, mein erstes Drama in Angriff zu nehmen. Der Stoff war schnell gefunden. Wie Schiller in vielen seiner Dramen, etwa bei Wallenstein oder Wilhelm Tell, griff auch ich auf historische Begebenheiten zurück. Die Handlung meines ersten dramatischen Fragmentes bezog sich auf ein kleines Kapitel aus den Reisebeschreibungen Marco Polos. Diese Lektüre bildete meine einzige Recherche, eifrig begann ich mit der Verdichtung des Stückes um Macht, Verrat und Blut.
Um der Macht willen werden die engsten Freunde zu ärgsten Feinden. Da schützt auch keine Blutsverwandtschaft.
Arghun
Erst nach elf Seiten verließ mich die Lust. Mit dem Ergebnis war ich hochzufrieden; ich erhob die mitten im Text abgebrochene Literatur zur neuen Kunstform. Nach den meine Schulnöte verdrängt habenden Sommerferien ging ich im veränderten Outfit – mit Ohrring und bezopft – schweren Herzens in meine neue Klasse. Ebenso schnell wie ich die fremde Umgebung und einige meiner Schulkameraden zu schätzen lernte, musste ich die Schule auch schon wieder verlassen, da es abzusehen war, dass meine Leistungen immer noch nicht für eine Versetzung ausgereicht hätten. So kehrte ich dem Gymnasium den Rücken und setzte meine Schullaufbahn auf einer Realschule fort.«
3. Inzwischen bin ich neunundvierzig Jahre alt, habe vier Romane und diverse andere Bücher veröffentlicht, wurde mit Stipendien und Literaturpreisen bedacht, habe als erster meiner Familie einen Universitätsabschluss und bin als erster männlicher Degens nicht vorbestraft. Eine Literaturagentin nannte mich kürzlich einen »renommierten Autor« und ich bin wohl das, was man einen erfolgreichen Bildungsaufsteiger nennt. Aladin El-Mafaalani schreibt in seinem Buch »Mythos Bildung«: »Erfolgreiche Aufstiegsbiographien haben ihren Startpunkt – entgegen mancher Vermutung – gerade nicht in dem klassischen Aufstiegsmotiv, reich und berühmt werden zu wollen. Weder gab es einen vorgefassten Plan, noch wollten diejenigen überhaupt besonderen Erfolg. […] Erfolgreiche Bildungsaufsteigerinnen und -aufsteiger haben vielmehr an irgendeinem Punkt in ihrer Biografie das eigene Denken und Handeln problematisiert. Aus dieser Perspektive entwickelten sie ein Bedürfnis nach einer zunächst noch unspezifischen Veränderung und anschließend den Drang, an sich selbst zu arbeiten, sich selbst zu verändern.« (S. 148f.) Damit unterscheidet er sie von denjenigen, die die klassischen Aufstiegsmotive vor Augen haben, die insbesondere von der Sport- und Unterhaltungsindustrie stimuliert werden. »Reich und berühmt zu werden, das ist der Traum von fast allen Kindern und Jugendlichen aus unteren Schichten, gerade weil ihnen in besonderer Weise Geld und Anerkennung fehlen. Wer reich und berühmt werden möchte, der ist zum einen mit sich selbst – so wie man derzeit ist – zufrieden, sieht lediglich in äußeren Rahmenbedingungen ein Problem (insbesondere das fehlende Geld) und wird zum anderen auch durch relativ attraktive Aufstiegsfantasien von langwierigen und mühsamen Bildungslaufbahnen abgelenkt. Bestimmte Vorbilder, insbesondere Sportler und Musiker, suggerieren, dass man reich und berühmt werden kann, auch wenn man so bleibt, wie man ist. Der Aufstiegstraum benachteiligter Kinder lässt sich mit der Formel ›vom Gettokid zum Gangsta-Rapper oder Fußball-profi‹ fassen. Lukas Podolski, Mesut Özil, Bushido oder Haftbefehl sind Vorbilder, weil sie reich und berühmt sind, gleichzeitig aber ihre Sprache und ihr Auftreten – ihren Habitus – beibehalten haben. Sie suggerieren, dass man es schaffen kann, ohne sich zu verändern. Nicht zuletzt haben sich unter anderem durch Castingshows und digitale Netzwerke ganze Industrien rund um diesen Traum vom Aufstieg ohne Bildung gebildet.« (S. 148f.) Im Gegensatz dazu geht es den Bildungsaufsteigerinnen und -aufsteigern »in der Regel nicht um Geld oder Macht, ja nicht einmal um einen sozialen Aufstieg, sondern um eine individuelle Veränderung. Sie haben den Drang, sich weiterzuentwickeln, wollen mehr Autonomie oder interessieren sich für ein spezifisches Thema. Ausgangspunkt ist oft eine generelle Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben, mit sich selbst – und nicht selten auch Kritik am Herkunftsmilieu. Die persönliche Weiterentwicklung, die Ausweitung von Denk- und Handlungsspielräumen, das Streben nach Wissen, ästhetischen Erlebnissen oder moralischen Ansprüchen bilden in den Aufstiegsbiografien zentrale Ankerpunkte. Über diese Anker verwandeln sich Welt- und Selbstbilder in weitreicher Form – das ist also Bildung im engsten Sinne, eine Veränderung der Persönlichkeit.« (S. 149)
»Hugo Ball ist durch seinen frühen Ausstieg aus dem Cabaret Voltaire, der Hinwendung zur Mystik katholischer Provenienz und seinen Krebstod mit einundvierzig Jahren zur Legende geworden. Die Radikalität seiner Weltverneinung, die Klarheit über sein Scheitern als avantgardistischer Künstler spricht aus dem Titel seines im Todesjahr 1927 veröffentlichten und, die Tage Dadas betreffend, immer wieder zitierten Tagebuchs: ›Flucht aus der Zeit‹. Durch den Bruch mit der zürcher Avantgardeszene, deren Mitglieder allesamt keine 5-Sterne-Exilanten waren, und seinen Rückzug mit Emmy Hennings an den damals schon seit Jahren von Esoterikern frequentierten Lago Maggiore im Jahr 1917 ist er im Exil noch einmal exiliert, hat er mit seiner Vergangenheit zwiefach gebrochen. Ball kam vom Theater, aus der Umgebung Max Reinhardts, und der Endzwanziger (Benn-Jahrgang 1886) war auf dem besten Weg, als Regisseur und/oder Dramaturg Karriere zu machen; der Ausbruch des Ersten Weltkriegs und der damit verbundene Weggang aus Deutschland vereitelten das. Sein Interesse an Stanislavskij, an außereuropäischen Theaterformen ist bekannt, und auf Balls Anregung dürfte die Beschäftigung der dadaistischen Gesamtkunstwerker mit Masken(bau und -einsatz) zurückgehen; der Simultaneitätsgedanke, realisiert in den live acts der Matineen und Soireen, deutet gerade auf Ball hin. Nicht weniger publikumswirksam wie die Aufführung von Simultangedichten, dieser Überlagerung verschiedener Tonspuren – heute teils von Internetautoren weiterbetrieben, die auch das Erbe der visuellen Poesie zu verwalten scheinen: elektronische Technopägnien einer neuen Emblematik, naives Barock einer Spätzeit–, war die Entwicklung und Performance von Balls Lautgedichten: sein konsequentester Beitrag zum modernen Gedicht und zugleich sein Abschied von der Moderne, nicht von der Philologie.«
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