Ein Zimmer wie in einem amerikanischen Road-Movie. Das Doppelbett, der Fernseher, hinten die Tür ins Badezimmer … Die einzige Fluchtmöglichkeit. Durch die aufgezogenen Vorhänge des Fensters sehe ich auf den Parkplatz, auf die von einer Laterne angestrahlten Schneehaufen und die Dunkelheit dahinter. Ich fotografiere die Ansicht vom Bett aus und veröffentliche das Bild auf Twitter. Mein alter Freund Jochen reagiert sofort und fragt, was in der großen schwarzen Plastiktüte neben der Tür sei. Er vermutet ein Kopf.
Öffentlicher Dienst: Schreibtische
Als Vorbereitung auf das Konzert lese ich im Hotelzimmer einen Artikel über die Wanderungen des Sängers durch Europa. Art Garfunkel hat immer ein Buch dabei, lautet die Unterschrift eines Bildes. Das Foto zeigt eine Tischplatte mit seinem Strohhut, seiner Brille und einem Buch: »Dear Life« von Alice Munro.
Mein Zimmer in Baltimore war eine ziemliche Rumpelkammer. Die einfach verglasten Fenster konnte ich nicht öffnen, dafür klirrten sie im Wind und bei jeder Bewegung auf der Straße. Beim Aufwachen dachte ich: Hey, was mache ich hier eigentlich? Mit dem Greyhound durch Amerika. Schäbige Hotels. Baltimore. New York. Ein echtes Schriftstellerabenteuer. Bin ich dafür inzwischen nicht zu alt?
In der Fußgängerzone schrieb ich an mehreren Büchern gleichzeitig. Durch die Fenster drang der Lärm der Straßenmusikanten, von Jack & Jones und Deichmann. Ich sah Taubenschwärme am Himmel über den Dächern kreisen und die Türme der Stifts- und der Namen-Jesu-Kirche. Manchmal fühlte ich mich wie ein amtlicher mittelalterlicher Stadtschreiber in einer globalisierten Welt.
Durch ein Labyrinth aus Parkhausgängen betrat ich das Hotel und setzte mich im ersten Stock an einen Tisch auf der Empore über dem Empfangstresen. Schönes Schreiben zwischen den riesigen Kronleuchtern und den getäfelten Wänden, dem dunklen Holz und den goldenen Verzierungen.
In meinem Arbeitszimmer in Toronto lebte ich mit der Hauptfigur des Romans zusammen, den ich gerade schrieb. Vor dem Fenster stand ihr Zeichenbrett, in der Ecke ihr Bett. Die warme Heizungsluft kam aus der Decke und die Fenster ließen sich nur ein Stück weit aufkurbeln. Hinter meinem Rücken hatte sie das Regal mit ihren Graphic Novels aufgebaut.
Bei Jeff schrieb ich die letzten Kapitel von »Fuckin Sushi«. Mein Verlag hatte auf Instagram unter #wobücherentstehen eine Serie mit den Schreibtischen der Autorinnen und Autoren ins Leben gerufen und bat mich um ein Foto. Ich schickte dieses Bild.
So grell und unscharf wie dieses Foto sind meine Erinnerungen an meine zweite Wohnung in Berlin. In diesen Wänden gewöhnte ich mir das Rauchen ab, das für mich untrennbar mit dem Schreiben verbunden gewesen war. Auf einmal hörte ich wieder die Musik meiner Jugend. Einer Zeit, als ich noch Nichtraucher war und gerade erst mit dem Schreiben angefangen hatte.
Bei Mabrouka. Der Arbeitsplatz neben der Waschmaschine, meine Unterlagen auf der Fensterbank. Den ganzen Tag schien die Sonne durch die Küchenfenster und ich schrieb wie unter einer Lupe.
Erst nachdem ich nach ein paar Tagen den Schreibtisch ins Wohnzimmer geschafft und gegen die Wand gestellt hatte, konnte ich wirklich arbeiten.
Als Stadtschreiber im Herzen der Stadt. Ich habe noch nie so viele Kleinkinder in einem Flugzeug gesehen wie auf dem Flug nach Belgrad – und noch nie so viele stille und zufriedene. Nachdem ich einen Tisch für meinen Balkon erhalten hatte, war mein Arbeitsplatz perfekt. Schreiben unter einem wolkenlosen Septemberhimmel bei fünfundzwanzig Grad.